Deutsche Demokratische Republik: Opposition in der SED

Deutsche Demokratische Republik: Opposition in der SED
Deutsche Demokratische Republik: Opposition in der SED
 
Der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 und der anhaltende Flüchtlingsstrom in den freien Westen zeigten mit aller Deutlichkeit, dass die SED und ihre Politik nicht populär waren. Aber schon vor diesen Ereignissen 1953 gab es innerhalb der SED erkennbare oppositionelle Strömungen, die sich v. a. gegen Walter Ulbricht und seine stalinistischen Herrschaftsmethoden richteten. In einer ersten Säuberungswelle wurden 1948-50 die ehemaligen SPD-Mitglieder in der SED erfasst, die bereits gegen den Zusammenschluss von KPD und SPD (siehe auch Sozialistische Einheitspartei Deutschlands: Entstehung und Entwicklung bis 1949) votiert hatten. Sie hatten sich hauptsächlich gegen die Umformung der SED zu einer stalinistischen Partei gewandt. Auch der Arbeiteraufstand 1953 war von innerparteilichen Differenzen und oppositionellen Strömungen begleitet. Justizminister Fechner beispielsweise wurde wegen seiner Kritik an der Terrorwelle nach dem Aufstand verhaftet.
 
In der zweiten Hälfte der 50er-Jahre, als nach dem XX. Parteitag der KPdSU die Entstalinisierungswelle begann, wurde vor allem Kritik an der bürokratischen Wirtschaftspolitik geübt, die viel zum Scheitern der Wirtschaftspläne (siehe auch Deutsche Demokratische Republik: Planwirtschaft) beitrug. Gegen diese »revisionistischen Strömungen« ging die SED-Führung in aller Schärfe vor. Die führenden Köpfe, wie die Philosophen Wolfgang Harich und Ernst Bloch, der Chemiker Robert Havemann und andere, die für einen »humanitären Sozialismus« eintraten, verloren ihre Positionen. Wolfgang Harich hatte mit einigen Freunden ein Konzept für eine »Erneuerung der Partei« entwickelt und forderte einen »besonderen deutschen Sozialismus« sowie einen vom »Stalinismus befreiten Marxismus-Leninismus«. Harich wurde 1957 zu zehn Jahren Haft verurteilt und kam Ende 1979 vorübergehend in die Bundesrepublik; Bloch, der als philosophischer Anreger der »Revisionisten« galt, verlor 1957 seinen Lehrstuhl an der Leipziger Universität und floh 1961; Havemann, 1964-66 aller Ämter enthoben, weigerte sich, die DDR zu verlassen, und wurde bis zu seinem Tod 1982 systematisch isoliert. Die Wirtschaftswissenschaftler Fritz Behrens und Arne Benary, die für eine »Produzentenselbstverwaltung« nach jugoslawischem Muster eintraten, wurden gemaßregelt. Innerhalb der Führung der SED, im Politbüro, verloren Karl Schirdewan und Ernst Wollweber ihre Ämter, als sie sich für eine Fortsetzung der Entstalinisierung einsetzten.
 
Nach dem Selbstverständnis der DDR verkörperte sich im Staat die Herrschaft des Volkes; Kritik und Opposition richteten sich demnach gegen das Volk und mussten deshalb verfolgt werden. Auf diese Weise wurde Opposition gegen das herrschende System kriminalisiert. Gleichwohl waren oppositionelle Strömungen gegen die Herrschaft der SED immer wieder zu registrieren. Aktionen wie die Aberkennung der DDR-Staatsbürgerschaft für den Lyriker und Kabarettisten Wolf Biermann anlässlich einer Reise in die Bundesrepublik, die Verhaftung und Abschiebung Rudolf Bahros, die Übersiedlung der Lyriker Reiner Kunze und Sarah Kirsch und der Umgang der DDR-Behörden mit der Friedensbewegung in der DDR belegen dies.

Universal-Lexikon. 2012.

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